Darf man einen Döner-Kebab essen?

Fragestellung. Diese Frage wird hier in Europa gelegentlich von katholischen Christen gestellt, die eventuell keinen Fehler machen und sich gegebenenfalls auf keinen Fall versündigen wollen. Der betreffende Hintergrund dieser Fragestellung ist ja das verbreitete Wissen um die Tatsache, dass im Islam aus religiösen Gründen nur der Genuss vom sogenannten Halal-Fleisch erlaubt ist und die meisten Kebab-Läden eben von Türken, also Moslems, betrieben werden.
Die Tiere, aus welchen dieses Fleisch hergestellt wird, werden aber nach islamischen Gesetzen so geschlachtet, dass ihnen ohne vorherige Betäubung die Kehle durchgeschnitten wird und sie langsam ausbluten. Dies nennt man schächten. Im Islam ist nämlich der Genuss von (Tier)Blut untersagt. Zudem werde bei einer solchen Schlachtung anscheinend auch ein bestimmtes Gebet verrichtet oder ein Spruch aus dem Koran.
Somit stellt sich die Frage, ob dieses Fleisch dann nicht etwa als eine Art islamisches Opferfleisch angesehen werden müsste und dessen Genuss den Christen somit aus religiösen Gründen strikt zu untersagen sei. Denn sonst würden sie ja durch das Essen dieses Fleisches wenigstens indirekt heidnische religiöse Zeremonien anerkennen und eben Götzenopferfleisch zu sich nehmen, was aber schon vom Apostelkonzil grundsätzlich untersagt worden ist! (vgl. Apg 15,29.)
Wie weit ist Halal-Fleisch verbreitet? In Deutschland ist die Schächtung der Tiere gesetzlich verboten. Allerdings kann einzelnen Schlachthöfen eine Ausnahmegenehmigung gegeben werden und sie somit zertifiziert werden, wenn sie nachweisen, dass ihre Kundschaft aus religiösen Gründen nur geschächtetes Fleisch essen dürfe.
Die Herstellung von solchem Halal-Fleisch ist um einiges teurer, weil eben auch zeitlich aufwendiger. Der Zeit- und Kostendruck führt dazu, dass viele Kebab-Läden es sich heute eben aus wirtschaftlich-ökonomischen Gründen nicht gut erlauben können, auf solches Fleisch zurückzugreifen. Der Blick ins Internet und auf entsprechende Foren hat gezeigt, dass viele Moslems, die großen Wert auf die Einhaltung entsprechender islamischer Schlachtvorschriften legen, bitterlich beklagen, dass nur in den wenigstens Kebab-Läden wirklich Halal-Fleisch angeboten werde.
Zudem wird von Betreibern von Kebab-Läden, denen es aus religiösen Gründen ein dringendes Anliegen ist, ihrer Kundschaft eben nur nach islamischen Gesetzen geschächtetes Fleisch anzubieten, extra mit einem Schild darauf hingewiesen, dass sie eben nur solches Halal-Fleisch anbieten. Das ist für sie dann ebenfalls religiöse Pflicht.
Ich kann mich erinnern, vor etlichen Jahren einmal in einem Kebab-Laden einen solchen Hinweis auf einem Schild beim Betreten dieses türkischen Schnellrestaurants gesehen zu haben. Sonst fehlt es. Einmal gab mir der Chef eines Kebab-Ladens sogar eine preisliche Ermäßigung. Und beim Gespräch mit ihm stellte es sich heraus, dass er ein orientalischer Christ ist. Wohl kaum wird ausgerechnet er islamisches Halal-Fleisch anbieten! Somit scheint in der Mehrheit der Fälle in den Kebab-Läden doch kein geschächtetes Fleisch angeboten zu werden.
Aber was, wenn es sich dann doch um Halal-Fleisch handeln sollte? Zumal man als Kunde ja auch nicht genau wissen kann, woher genau die Betreiber solcher Kleinrestaurants die betreffenden Fleisch-Spieße beziehen, die dann beim Drehen gegrillt werden. („Döner Kebab“ heißt übersetzt „sich drehendes Grillfleisch“.) Bei der Beantwortung dieser Frage muss man eine wichtige Unterscheidung machen.
Aus der Geschichte wissen wir, dass bereits römische Legionäre bei Dienstantritt einen Fahneneid auf den Kaiser und Staat leisten und diesen dann auch noch jährlich erneuern mussten. So lautet der Eidestext bei Flavius Vegetius Renatus, einem Kriegshistoriker des ausgehenden 4. Jahrhunderts: „Es schwören aber die Soldaten, dass sie alles entschlossen ausführen werden, was der Kaiser befehlen wird, dass sie niemals den Dienst verlassen werden und den Tod für den römischen Staat nicht scheuen werden“.
Bezeichnenderweise hat die junge Kirche aber niemals den Militärdienst in der Armee des heidnischen Römischen Reiches grundsätzlich in Frage gestellt. Johannes der Täufer vertritt die folgende Meinung: „Ebenso fragten ihn auch Soldaten: ‚Was sollen wir aber tun?‘ Er sagte ihnen: ‚Verübt gegen niemand Gewalt und Betrug und seid zufrieden mit eurem Sold.‘“ (Lk 3,14.)
Einer der bekanntesten Soldaten, die im Dienst des heidnischen Kaisers standen, war der hl. Märtyrer Sebastian (Fest am 20. Januar). Er war ein Pallastoffizier des Kaisers Diokletian. Somit musste sicher auch er den betreffenden Fahneneid auf den Kaiser und den Staat leisten.
Und die frühe Kirche verbat dies nicht, weil sie darin offensichtlich nur einen Treueid auf eine vernünftige stattliche Grundordnung sah. So lehrt ja auch der hl. Apostel Petrus: „Unterwerft euch um des Herrn willen jeder menschlichen Ordnung, sei es dem König als dem obersten Herrn, sei es den Statthaltern, die in seinem Auftrag die Übeltäter bestrafen und die Guten loben. … Fürchtet Gott! Ehrt den König!“ (1 Petr 2,13f.17.) Man bedenke, man sprach dabei vollbewusst von einem Treueid auf einen heidnischen Kaiser und Staat, durch welchen bzw. in welchem immer wieder Christenverfolgungen ausgebrochen waren! Dennoch bezeugte man mit diesem Eid aus der Sicht der Kirche nur die generelle Treue zum betreffenden Staatswesen als solchem!
Wenn aber Sebastian oder andere Christen einen Eid auf den heidnischen Kaiser im konkreten Kontext einer etwaigen Abschwörung vom Christentum hätten ablegen müssen, wäre dies für sie niemals in Frage gekommen. Sind ja die zahlreichen Märtyrer im heidnischen Rom gerade wegen einer solchen strikten Weigerung, dem christlichen Glaubensbekenntnis abzuschwören, auch gequält und umgebracht worden!
Analog dazu kann man wohl auch im Hinblick auf das moslemische Halal-Fleisch sagen: Wenn es uns als einfache Speise angeboten wird, was in einem Kebab-Laden praktisch zu 100% geschieht, dürfen wir es wohl sicher essen. In diesem Fall handelt es sich hierbei ja nicht um den Kontext einer etwaigen Abschwörung vom Christentum unsererseits. Unter diesen Umständen kann man wohl keinem Katholiken und Christen aus religiös-christlichen Gründen unter Sünde grundsätzlich verbieten, von diesem Fleisch zu essen. Denn der Mensch kauft hier ja nur eine Speise und legt damit überhaupt kein Bekenntnis zu dieser oder jener oder keiner Religion ab – es ist eine übliche und ganz normale Angebot-Kauf-Situation, wie wir sie in jedem anderen Lebensmittelladen oder sonstigen Geschäft praktizieren!
Ebenso kann man hier am Rand hinzufügen, dass nach katholischem Verständnis jeder von einem Priester geweihte und sogar auch jeder von einem Bischof konsekrierte religiöse Gegenstand seine Weihung automatisch verliert, wenn er klassisch verkauft und gekauft wird und für ihn bei diesem Vorgang somit ein Preis bezahlt worden ist. Wenn dies sogar für konsekrierte Kelche gilt, in welchen sich zuvor das konsekrierte Blut Christi befand, um wieviel mehr gilt es für eine von Moslems (und Juden) praktizierte und aus christlicher Sicht abstruse Vorstellung von einer angeblich reinen oder unreinen Speise!
Zumal ja das Christentum generell mit dieser Absurdität aufgeräumt hat! Berichtet uns ja die Apostelgeschichte davon, wie Petrus im hungrigen Zustand eine Vision hatte und ihm da „allerlei vierfüßige und kriechende Tiere der Erde und Vögel des Himmels“ zum Essen angeboten wurden. „Und eine Stimme rief ihm zu: ‚Wohlan, Petrus, schlachte und iss!‘ Doch Petrus sagte: ‚Nie und nimmer, Herr! Noch nie habe ich etwas Unheiliges und Unreines gegessen.‘ Da rief die Stimme ihm zum zweiten Mal zu: ‚Was Gott für rein erklärt hat, sollst du nicht unrein nennen!‘ Das geschah dreimal.“ (Apg 10,12-15.)
Somit müssen für uns, Christen, alle (an sich genießbaren) Speisen als eine Gabe Gottes gelten, wofür wir Ihm nur Dankbarkeit schulden! Wie der Apostel Petrus da nicht mehr an „rein“ oder „unrein“ denken sollte, so gilt auch für uns generell und ausnahmslos in Bezug auf alle Speisen der Grundsatz Christi: „Was Gott für rein erklärt hat, sollst du nicht unrein nennen!“
Zumal wir als katholische Christen auch angehalten sind, ein Tischgebet zu verrichten. Und dieses muss dann auch in einem hypersensiblen Kopf die allerletzten Reste irgendeiner vermeintlichen „Unreinigkeit“ der betreffenden Speisen „desinfizieren“! Das Gebet zu Christus, Sein Kreuz und Segen sind einfach stärker bzw. ihrem Wesen nach allein wirksam vor Gott! Im Vertrauen auf Jesus Christus, den Göttlichen Erlöser, kann uns nichts wirklich schaden!
Ganz anders würde es natürlich aussehen, wenn mit dem Angebot des Kaufs der Speisen mit diesem Halal-Fleisch unmissverständlich auch der Kontext einer potentiellen Abschwörung vom Christentum und des Bekenntnisses zum Islam entstehen sollte! In einem solchen Fall, sollte eine solche Situation überhaupt jemals entstehen – sie müsste dann ja extra und somit künstlich geschaffen werden –, würde uns ja bewusst sein, dass unser Essen dieses sogenannten Halal-Fleisches von allen Anwesenden als eine Verleugnung des Christentums und ein Bekenntnis zum Islam verstanden werde. Und da dürfen wir dann nicht einmal den Eindruck einer möglichen Apostasie unsererseits entstehen lassen! Dann, in einem solchen Fall, dürften wir selbstverständlich auf keinen Fall davon essen, auch nicht bei ausgesprochenen Drohungen im Hinblick auf unsere Gesundheit und unser Leben!
Tierschutzfrage wichtig? Gott hat uns geboten, uns die Welt untertan zu machen (Gen 1,28). Wie wir somit auf der einen Seite die Berechtigung haben, uns die Gaben dieser Welt und Natur auf die eine oder andere Weise zunutze zu machen, so entsteht für uns daraus auf der anderen Seite aber auch eine Verantwortung für die Schöpfung!
Somit dürfen wir die Tiere weder einfach so töten noch ihnen unnötigen und somit vermeidbaren Schmerz zufügen. Auch die Schlachtung der Tiere, deren Fleisch wir essen, muss unter geringmöglichster Schmerzzufuhr erfolgen!
Berücksichtigt man aber, wie lang und schmerzvoll der Tod der Tiere bei deren Schächtung nach islamischem Recht verläuft - der Todeskampf der armen Tiere mit der klaffenden Wunde am Hals ist mehr als grauenvoll und dauert einige Zeit, bis das Tier endlich stirbt und erlöst wird von seiner Qual -, kann man sich schon ernsthaft fragen, ob man denn diese Art der Schlachtung durch das Kaufen von Speisen mit sogenanntem Halal-Fleisch auch noch indirekt unterstützen möchte. Wenn der betreffende Kebab-Laden ausdrücklich die Verwendung von Halal-Fleisch ausschildert und man als Kunde somit mit großer Wahrscheinlichkeit davon ausgehen darf, dass da tatsächlich solches Fleisch angeboten wird – soll man da nicht lieber darauf verzichten?
Ein Kauf solchen Fleisches würde aber auch in diesem Fall für uns wohl keine Sünde bedeuten, weil wir ja auch keine Verantwortung für die Erteilung der betreffenden Genehmigungen an die Schlachthöfe tragen bzw. für die Einfuhr solchen Fleisches aus dem Ausland. Nur würden wir durch den Verzicht des Genusses eines solchen Fleisches eben auf persönlicher Ebene und somit im Gewissen eine entsprechende Aussage tätigen und uns gegen die betreffende Tierquälerei aussprechen.
Wie es Menschen geben kann, die trotz solcher Darlegungen zu diesem Thema, wie sie in diesem Artikel erfolgt, für sich persönlich dennoch die Entscheidung treffen, doch lieber grundsätzlich kein Halal-Fleisch als solches zu essen, so muss auch in dem gerade zuletzt benannten Fall jedem Einzelnen überlassen werden, ob er es aus Tierschutzgründen isst oder nicht. Aus kirchlicher Sicht kann man jedenfalls kein generelles Verbot des Essens eines solchen Fleisches erlassen.

P. Eugen Rissling

 

 

Zurück Hoch Startseite